Soll ich in der Finanzkrise ein Eigenheim, eine Wohnung oder ein Mietshaus kaufen?
Raus aus Aktien und Anleihen und hinein in die Immobilien? Immer mehr Privatanleger denken angesichts des Niedergangs an den Kapitalmärkten an den Erwerb von Wohnungen und Häusern.Sollte man auch als Mieter vielleicht Eigentum erwerben, statt Miete zu zahlen und das schwächelnde Wertpapierdepot dafür auflösen? Oder gar selbst zum Vermieter werden? Experten, die sich mit Immobilien und ihrer Finanzierung auskennen, helfen mit ihrem Rat weiter. Die Ansichten sind allerdings geteilt:
Thomas Wernicke, Landesvorsitzender des Rings Deutscher Makler Berlin-Brandenburg : "Der RDM Berlin Brandenburg geht davon aus, dass die selbstgenutzte Immobilie - gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse am Finanzmarkt - wieder stärker in den Fokus des privaten Käufers gerät. Diese stellt nicht nur das sichere Dach über der Familie dar, sondern gewährt zugleich Inflationsbeständigkeit und Sicherheit für den Lebensabend der Eigentümer. Hochwertige Objekte in guten Wohnlagen erfahren derzeit eine gute Nachfrage, die durch die günstigen Finanzierungskonditionen gestützt wird. Der RDM geht davon aus, dass die Banken den Privatkäufer verstärkt wieder als Kunden mit geringem Ausfallrisiko wahrnehmen werden."
Dirk Wohltorf, Berliner Landesvorsitzender des Maklerverbandes IVD (Immobilienverband Deutschland) : "Immobilien in Berlin? Jetzt kaufen! In Zeiten wie diesen ist es schön, dass der Wert der Immobilie nicht so volatil ist wie der Wert bei Aktien oder Zertifikaten. Meistens merkt ein Eigentümer nicht einmal, wenn der Wert seiner Immobilie etwas gestiegen oder gefallen ist. Die Kaufpreise in Berlin sind nach wie vor so günstig wie in keiner anderen Großstadt Europas. Jede Immobilienart, jede Größe und fast jede Kaufpreisgrößenordnung ist verfügbar. Die goldenen Immobilienregel: Lage, Lage, Lage wirkt näher und wichtiger denn je. Wer sich heute kompetent beraten lässt und die Lage genau überprüft, wird mit großer Wahrscheinlichkeit in 10 oder 15 Jahren auf eine seiner besten Entscheidungen im Leben zurückblicken können." [...]Heike Nicodemus, Stiftung Warentest, Projektleiterin: "Die Zinssätze sind seit Beginn der Finanzkrise gesunken, teilweise um 0,5 Prozent. Die langfristigen Zinsbindungen werden im Vergleich eher günstiger als die kurzen. Das Zinsniveau ist schon seit Jahresbeginn günstig. Gegenwärtig haben wir ein kleines Zwischentief und die günstigen Zinsen könnte man gut zum Hauskauf oder die Anschlussfinanzierung nutzen."
Eugen Schnoor, Vorsitzender des Bewertungsausschusses beim Ring Deutscher Makler und Mitglied des Berliner Gutachterausschusses : "Ein Leben lang Miete zahlen ist nicht clever. Denn von der monatlichen Zahlung kann man sich meist genauso gut eine eigene Immobilie leisten. Die Mieten sind in den letzten Jahren gestiegen. Auch die Prognosen gehen davon aus, dass sich der Druck auf die Mieten aufgrund eines kaum noch vorhandenen Mietwohnungsbaus und einer zunehmenden Anzahl von privaten Haushalten mit einhergehender Wohnungsknappheit erhöht. Immobilien als Kapitalanlage bieten attraktive Renditen und eine hohe Transparenz. Die Renditeerwartung liegt im Schnitt zwischen fünf bis sieben Prozent. Für ein Nachlassen der Preise von privaten Wohnimmobilien gibt es keine Anzeichen. Im Gegensatz zu den Aktienwerten sind die Immobilienpreise nicht ins bodenlose gefallen."
Peter Dirk, Architekt, Referent für Bau und Baufinanzierung bei der Verbraucherzentrale Berlin : "Wer über ausreichend Eigenkapital verfügt und seinen Arbeitsplatz gesichert sieht, für den ist der Kauf einer selbstgenutzten Immobilie in diesen Tagen vielleicht auch eine gute Möglichkeit, die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Auch kann man der anstehenden Abgeltungssteuer ein Schnippchen schlagen. Der Verhandlungsspielraum mit dem Verkäufer dürfte wohl größer sein, denn durch die Vorsicht der Banken, schmilzt der Kreis potenzieller Käufer. Die Banken sind erheblich strenger in der Bonitätsbewertung des Kunden geworden. Eine weitere Chance für Immobilienerwerber kann aber auch in den zukünftig wieder häufiger auftretenden Zwangsversteigerungen liegen. Wenn man diesen Kauf für sich zumindest moralisch vertreten kann.Eine Immobilie kann durchweg eine sichere Geldanlage sein, dies gilt im Besonderen für die selbstgenutzte Immobilie. Damit sie zumindest wertstabil bleibt, ist natürlich die Lage ganz entscheidend. Immobilien in Innenstadtbezirken dürften ihren Wert behalten, wenn nicht sogar Steigerungspotential haben. "Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank: "Immobilien dienen zwar in Krisenzeiten als sicheres Wertaufbewahrungsmittel für das investierte Kapital. Die hohen Nebenerwerbskosten aus Grunderwerbssteuer, Notar-, Grundbuch- und Maklergebühren von teilweise mehr als zehn Prozent des Kaufpreises machen den Immobilienerwerb jedoch zwangsläufig zu einem langfristigen Investment. Immobilien eignen sich nicht als kurzfristiger Aufbewahrungsort für Kapital. Anleger sollten auf jeden Fall Immobilien in strukturschwachen Regionen mit schrumpfender Bevölkerung meiden".
Günter Vornholz, Immobilienanalyst der Deutschen Hypo : "Wer um seinen Arbeitsplatz fürchtet, kauft keine Immobilie. Außerdem werden wegen der schrumpfenden Gesamtbevölkerung Eigenheime und Eigentumswohnungen in weiten Teilen Deutschlands in Zukunft keine Wertsteigerungen mehr erfahren. Nur in Ballungszentren wie Berlin, Hamburg, München und Stuttgart, die langfristig noch mit steigenden Einwohnerzahlen rechnen können, werden die Immobilienwerte künftig steigen. Zudem könnten Kleinanleger, anders als vermögende Privatinvestoren den Kaufpreis nicht bar bezahlen, sondern müssten den Immobilienerwerb über Kredite finanzieren. Dadurch verteuert sich der tatsächliche Kaufpreis erheblich."
René Quaß, Leiter des Vertriebs beim Baugeldvermittler Baugeldbörse (Berlin) und am kommenden Mittwoch Experte des nächsten "Immobilien-Telefons" zum Thema: "Was wird jetzt aus meiner Baufinanzierung?" (siehe unten) : "Gerade in diesen unsicheren Zeiten ist der Erwerb von Sachwerten bei günstigen Preisen und nach wie vor niedrigen Zinsen eine solide und im Vergleich zu Aktien ,sichere' Anlage. Bei einer solide und seriös gekauften Immobilie ist die Chance des Kunden, seinen Preis bei einem späteren Verkauf wieder zu bekommen, viel höher, als bei Investitionen in Finanztiteln. Berliner Immobilien sind im internationalen Hauptstädte-Vergleich sehr preisgünstig - ein Grund, warum in den letzen zwei Jahren die Immobilieninvestitionen ausländischer Kunden hier angestiegen sind. Selbst im Vergleich mit anderen Bundesländern sind die Preise für Eigentumswohnungen oder Eigenheime in vielen Bereichen ,günstig'. Um für das Alter Vermögen zu bilden, müssen auf den langen Weg der klassischen Geldanlage viele Zins- und Dividendenerträge versteuert werden - eine selbstgenutzte Immobilie muss, höchstens noch von den Erben versteuert werden." Ralf Nomrosky, zertifizierter Finanzplaner : "Gerade wenn eilig eine Immobilie gekauft wird, kann es leicht passieren, dass man eine schlechte Gegend erwischt oder ein Objekt mit vielen Macken. Man sollte vor allem auf eine gute Lage achten. Die Kreditzinsen sind in den vergangenen Wochen abgerutscht. Zu erwarten ist allerdings, dass die klammen Banken ihre Bonitätsansprüche bei den Kunden nach oben schrauben und sehr selektiv vorgehen."René Müller, Geschäftsführer beim Immobilienvermittler Bauwerk : "Zahlreiche Manager, Professoren und Ärzte wollen ihre Einlagen bei den Banken auflösen und das Kapital lieber in Mehrfamilienhäusern anlegen. Wir sind kürzlich in einer Woche mit Kaufgesuchen für Objekte im Wert von 500 000 bis zu fünf Mio. Euro überflutet worden."
Lutz Aengevelt, Chef des gleichnamigen Maklerhauses in Berlin und Düsseldorf : "Diese Entwicklung ist für mich nicht überraschend: Die Anleger erkennen in der Krise, dass die Welt nicht auf dem Sparbuch, sondern auf dem Grundbuch aufgebaut ist."
Jürgen Michael Schick, Vizepräsident und Pressesprecher des Maklerverbandes IVD : "Sollte die gegenwärtige Finanzkrise hingegen in einer Inflation münden, wären Anleger, die eine Immobilie auf Kredit kaufen, fein raus. Die Geldentwertung würde automatisch die Schuldenlast verringern. Zudem könnten sich Vermieter über sogenannte Indexmietverträge selbst vor dem monetären Wertverfall schützen. Diese Verträge sehen vor, dass der Mietpreis kontinuierlich mit der Teuerungsrate steigt. Die Nachfrage nach Mietshäusern ist durch die Kapitalmarktturbulenzen deutlich gestiegen. Wir erleben eine Neuorientierung weg von Finanzmarktprodukten hin zu den Sachwerten." Torsten Elsner: "Was als Immobilienkrise in den USA begann, hat sich mittlerweile zu einer weltumfassenden Finanzkrise ausgeweitet. Da ist es wenig erstaunlich, dass auch die Stimmung unter den Hausbesitzern langsam umschlägt: Fast jeder zweite Deutsche rechnet einer Umfrage des Unternehmens Immowelt zufolge aufgrund der US-Finanzkrise mit sinkenden Immobilienpreisen. Nach der kürzlich bekannt gewordenen Insolvenz der in Berlin gemeldeten Immobiliengruppe Level One und dem Drama um den Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate fürchten nun viele Verbraucher eine Kettenreaktion."
Amerikanische Verhältnisse
Dabei lässt sich der Dominoeffekt, der auf der anderen Seite des großen Teichs zu beobachten war, mit den Verhältnissen hier kaum vergleichen. Denn in den Vereinigten Staaten wurden nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Zinsen zum Teil radikal gesenkt, um die Wirtschaft zu stützen. Auch in den folgenden Jahren wurde diese Niedrigzinspolitik fortgeführt. Viele Amerikaner nutzten die Gunst der Stunde und erfüllten sich den Traum von den eigenen vier Wänden. Als Folge der ständig steigenden Nachfrage schossen auch die Immobilienpreise in die Höhe. Es entwickelte sich eine Preisblase von astronomischen Ausmaßen am Immobilienmarkt.
Finanziert wurde dabei nahezu jeder Kreditwunsch -Milliarden Dollar flossen an Kreditnehmer mit wenigen oder gar keinen Sicherheiten. Als einige Jahre später das Zinsniveau wieder anstieg, konnten viele Hausbesitzer ihre Kredite nicht mehr bedienen. Gleichzeitig war der Wert ihrer Immobilie aufgrund des mittlerweile großen Angebots an Häusern wieder gefallen. So platzten viele Immobilienkredite und die Banken gerieten in die Bredouille. Dabei erwischte es nicht nur Hypothekenfinanzierer sondern nach und nach auch große Banken.
Vor einer Bankenpleite müssen sich private Immobilienkäufer in Deutschland indes nicht fürchten: Wird ein laufender Hypothekenkredit bei der Insolvenz eines Finanzierers von einer anderen Bank übernommen, bleibt der Vertrag davon unberührt und die Zinsbindung über den vereinbarten Zeitraum erhalten. Und auch wer bereits Eigentümer ist, muss nicht in Panik verfallen: "Bei privaten Wohnhäusern und Eigentumswohnungen in guter Lage kann man in Zukunft eher mit Wertsteigerungen rechnen", sagte Dirk Wohltorf, Vorstand des Maklerverbandes IVD. Ausschlaggebend ist natürlich die Lage der Immobilie. "Lediglich Gewerbeimmobilien, die als Spekulationsobjekt auch von ausländischen Investoren finanziert wurden dürften an Wert verlieren", so Wohltorf. Dabei muss wohl mit einem Minus von 20 bis 25 Prozent gegenüber dem Höhepunkt des Jahres 2007 gerechnet werden.
Solide Finazierungsmodelle
Grundstein des gesunden Immobilienmarktes ist die mit der angelsächsischen Kredit-vergabe nicht vergleichbare Finanzierungskultur in Deutschland. So erfolgt die Vergabe von Immobilienkrediten -im Gegensatz zur gängigen Praxis in den USA -in der Regel nur an Kreditnehmer mit einwandfreier Einkommens- und Vermögenssituation. Auch entsprechendes Eigenkapital wird beim Immobilienerwerb vorausgesetzt. Zudem bieten die langen Laufzeiten für Immobilienkredite einen guten Schutz gegen die zeitweiligen Schwankungen an den globalen Finanzmärkten.
Der Gründer und Vorstand der Interhyp AG, Deutschlands größtem Baugeld-Broker, Robert Haselsteiner, bescheinigt dem Immobilienmarkt ebenfalls sehr gute Rahmenbedingungen: "Immobilienkredite sind zuletzt zwar leicht teurer geworden, liegen aber mit Bestsätzen ab 4,90 Prozent effektiv noch immer auf einem historisch günstigen Niveau." Darüberhinaus seien die eigenen vier Wände angesichts der Unsicherheiten auf den Finanzmärkten "derzeit wohl eine der sichersten Anlageformen". Laut Haselsteiner verfügen die hiesigen Banken zudem über solide Refinanzierungskonzepte: Private Immobilienkredite speisen sich vorrangig aus den Einlagen-Guthaben der Banken und Sparkassen sowie aus einem staatlich regulierten Pfandbriefmarkt -es gibt also einen gesicherten Gegenwert für das geborgte Geld. Die Bildung einer Preisblase wie in den Vereinigten Staaten sei deshalb sehr unwahrscheinlich.
Der aktuelle Wohnmarktreport, erstellt von der GSW Immobilien GmbH und Jones Lang LaSalle vom Oktober 2008, sieht zwar einen leichten Abwärtstrend -im Schnitt sanken etwa die Angebotspreise für Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern zwischen dem zweiten Halbjahr 2007 und dem ersten Halbjahr 2008 berlinweit um 7,7 Prozent. Jedoch war hier die Entwicklung in den Bezirken sehr unterschiedlich, weiterhin entscheidend für den Wert eines Objekts ist dessen Lage. Mittel- und langfristig besteht in Berlin also nicht die Gefahr, dass private Immobilien extrem an Wert verlieren. Allerdings könnten sich Interessenten aufgrund der derzeitigen Finanzkrise zurückhaltend zeigen. Darunter werden die Immobilienbesitzer leiden, die schnell verkaufen müssen. Ein detaillierter Verkaufsplan, am besten mit einem Makler entwickelt, sollte aber auch schnellen Verkäufen die entsprechenden Erlöse bringen.
25. Oktober 2008
Quellen
25. Oktober 2008 Berliner Morgenpost