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Liebling Friedrichshain-Kreuzberg




Laut Immobilienverband liegen die Neuabschlussmieten rund 20 Prozent über dem Mietspiegel

Studenten wie Carl Schulz haben es derzeit nicht leicht. Verzweifelt sucht der 28-Jährige gemeinsam mit zwei Freunden seit Monaten eine Wohnung in Kreuzberg oder im nördlichen Neukölln – ohne Erfolg. »Wir haben alles probiert«, sagt Schulz, »aber eine bezahlbare Wohnung ist nicht zu finden.« Und wenn es mal eine Drei-Raum-Wohnung gibt, stünden die Bewerber Schlange. Dabei irritiert Schulz vor allem, dass es nach der Bekanntgabe des Berliner Mietspiegels vor einigen Wochen von Seiten des rot-roten Senats hieß, die Mieten seien stabil und genug Wohnraum vorhanden.

Dass der subjektive Eindruck des Politologie-Studenten indes nicht aus der Luft gegriffen ist, legte gestern der Immobilienverband IVD Berlin-Brandenburg dar. Die Maklervereinigung hat nämlich zum Stichtag 1. Juni rund 1000 Neuvermietungsverträge ausgewertet und aus den Daten einen sogenannten Marktmietspiegel erstellt, der auch die Situation für die einzelnen Bezirke darstellt. »Der Mietspiegel des Senats spiegelt nicht das wider, was am Markt passiert«, sagt der IVD-Vorsitzende Dirk Wohltorf. Tatsächlich lägen nämlich die Mieten bei Neuvermietungen bis zu 20 Prozent über dem qualifizierten Mietspiegel.

Für die Maklerzunft stellt das insofern ein Problem dar, als dass die potenziellen Mieter oft falsche Vorstellungen über die Mieten haben, genau wie der junge Student Carl Schulz. Nun behauptet aber auch der IVD, dass es in Berlin keine Wohnungsknappheit gebe. Zudem bewegen sich nach Sicht der Makler die Durchschnittsmieten auf einem mehr als »moderaten Niveau« von fünf bis sieben Euro je nach Wohnlage. Und auch die jährliche Steigerung der Mieten läge bei lediglich einem Prozent, rechnet Andreas Habath vor. Insofern seien Mietdämpfungsinstrumente, wie der rot-rote Senat sie derzeit in Erwägung zieht, nicht gerechtfertigt, meint der IVD.

Andreas Habath hat den sogenannten Marktmietspiegel miterstellt. Seine Studie versucht, eine Markteinschätzung für eine Standardwohnung von 75 Quadratmetern und normaler Ausstattung wiederzugeben. Aussagen zu den in den letzten Wochen viel diskutierten Single-Wohnungen, die besonders teuer sind, lassen sich aus dem Makler-Spiegel nicht ableiten.

Dafür bietet die Untersuchung aber zuhauf Hinweise auf Gegenden, in denen stärkere Mietsteigerungen und damit einhergehend Aufwertungen zu verzeichnen sind: Flächendeckende Verdrängungseffekte (Gentrifizierung) will der IVD zwar nicht erkennen, aber auch die Maklervereinigung räumt ein, »dass in Teilen von Prenzlauer Berg und Mitte Leute zu kurz kommen könnten«, wie es IVD-Vorstandsmitglied Andreas Habath ausdrückt.

Dasselbe gilt für bestimmte Straßenzüge in Kreuzberg wie etwa das Paul-Lincke-Ufer oder die Gegend rund um den Boxhagener Platz in Friedrichshain. »Friedrichshain-Kreuzberg ist aktuell der Liebling bei den Mietsuchenden«, schreibt der IVD. Weitere Gebiete, in denen die Makler- und Vermietungsgeschäfte kräftig brummen, sind die Seitenstraßen rund um den Kudamm und einzelne Gebiete in Schöneberg. In diesen Gegenden lassen sich teilweise Spitzenmieten wie in Mitte (Scheunenviertel) oder im Grunewald von bis 13 Euro pro Quadratmeter erzielen. Aufsteigende Tendenzen beobachtet der IVD auch »nach jahrelangen Negativschlagzeilen« im nördlichen Neukölln. Da würden auch der Student Carl Schulz und seine Freunde gerne wohnen – aber auch hier sei der Markt bereits zu, berichten sie. Darüber, dass Verdrängung von Einkommensschwachen angeblich nicht stattfinde, können sie nur sarkastisch lachen.
17.Juni 2009


Quellen

17. Juni 2009 Neues Deutschland