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Berlin ist längst kein Mieterparadies mehr

Freitag, 09.09.2011, 13:42

Die Zeiten, in denen Mieter in Berlin für wenig Geld in Traumwohnungen leben konnten, gehören der Vergangenheit an. Die Mieten sind immens gestiegen. Dennoch ist die Hauptstadt immer noch billiger als München und Frankfurt.

m Wahlkampf sind solche Termine für den Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) angenehm. Wenn der Sozialdemokrat wie am Freitag den Grundstein für ein vornehmes Wohnhaus nahe dem Gendarmenmarkt legt, zeigt das den gewachsenen Wohlstand Berlins. Gut betuchte Zuzügler können sich die Eigentumswohnungen des Projekts Belles Etages mit Kamin und Sauna leisten. Andere in der Bundeshauptstadt haben mit den Wohnkosten inzwischen ihre Probleme.

Tausende Berliner gingen am vergangenen Wochenende in Kreuzberg auf die Straße, nachdem bekanntgeworden war, dass sogar städtische Wohnungsbaugesellschaften rund 17 000 Bürgern Bescheide über höhere Mieten ins Haus geschickt hatten. Sie forderten einen Mietstopp, „damit noch was zum Leben bleibt“. In den Vierteln im Zentrum der Stadt brodelt es.

Auf dem Weg zu einer normalen Großstadt


„Die Abwanderung aus bestimmten Kiezen ist Realität“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Wer dort umziehen möchte oder müsse, finde in derselben Gegend oft nichts Bezahlbares mehr. Was die Mietpreise angehe, sei Berlin „auf dem Weg zu einer normalen deutschen Großstadt“, ergänzt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.

Galt Berlin noch vor wenigen Jahren als die einzige deutsche Großstadt, in der man sich auch mit mittlerem Einkommen eine großzügige, sanierte Altbauwohnung in guter Lage leisten konnte, so hat sich dieses Bild gewandelt. Werden Wohnungen in begehrten Lagen wie Friedrichshain oder Kreuzberg neu vermietet, verlangen die Eigentümer oft saftige Aufschläge. Das treibt auch das Preisniveau des Mietspiegels nach oben, der der Maßstab für Mieterhöhungen bei Altverträgen ist.

Mieten sind billiger als in München, Frankfurt und Hamburg


Der Wohnindex des Hamburger Forschungsinstituts F+B dokumentiert diese Entwicklung. Bei Neuvermietungen stiegen die Nettokaltmieten in Berlin demnach im Durchschnitt innerhalb von fünf Jahren um 14,3 Prozent auf 6,30 Euro pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2011. Nur in Hamburg (plus 16,9 Prozent) verteuerten sich Wohnungen noch stärker. Das Berliner Niveau liegt aber nach wie vor weit unter dem anderer Metropolen. Da ist München Spitzenreiter mit 11,70 Euro vor Frankfurt (9,70 Euro), Hamburg und Stuttgart (beide 8,90 Euro).

Der Immobilienverband IVD bittet deshalb um Mäßigung in der Diskussion. Es gebe in Berlin keine Mietenexplosion, sondern eine Spaltung des Wohnungsmarktes. Modernisierte Altbauten in City-Lagen von Charlottenburg, Kreuzberg, Mitte und Prenzlauer Berg seien sehr begehrt, die Spitzenmieten lägen dort inzwischen bei 14,50 Euro pro Quadratmeter.

130 000 Wohnungen stehen leer


Es sei aber auch zu sehen, „dass durch den Zuzug von Menschen mit höherem Einkommen ganze Gebiete aufgewertet werden“, sagt der Vorsitzende des IVD Berlin-Brandenburg, Dirk Wohltorf. Und: 130 000 Wohnungen in Berlin stünden leer. Das stimmt, sagt Reiner Wild vom Mieterverein. Doch nur 50 000 davon würden tatsächlich angeboten. Die übrigen seien in schlechtem Zustand oder Spekulationsobjekte. Deshalb gebe es de facto einen Wohnungsmangel in Berlin.

Regierungschef Wowereit hatte das Thema zu Jahresbeginn noch gelassen gesehen. Steigende Mieten seien „kein Problem, wenn die Einkommen parallel steigen“, sagte er noch im Januar. „Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass Berlin in vielen Bereichen teurer wird“, fügte er damals hinzu. Kurz vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September haben jetzt alle Parteien die Brisanz des Themas erkannt.

Die Regierungsparteien SPD und Linke wollen innerhalb von fünf Jahren 30 000 Wohnungen bei den städtischen Gesellschaften schaffen, durch Neubau und Zukauf. Die Grünen erinnern daran, der rot-rote Senat selbst habe mit dem Verkauf von 50 000 Wohnungen der landeseigenen Gesellschaft GSW die Lage verschärft. Die CDU setzt vor allem auf private Investoren, die bis zu 60 000 Wohnungen bauen könnten, wenn sie vom Land billig Grundstücke erhielten. Im Gegenzug müssten sie sich zu günstigen Mieten verpflichten, so der Plan.

Quelle: Focus online, 08.09.2011