Immobilienpreise in Tegel steigen
Von Rainer W. During, Klaus Kurpjuweit
Im Norden Berlins steigen bereits vor der Schließung des Flughafens Tegel die Immobilenpreise. Rings um Schönefeld hingegen haben die Häuser mittlerweile an Wert verloren. Immobilien-Makler erwarten weitere Verluste.
Früher belächelt, heute eine ernsthafte Alternative: Wer in die jetzigen Einflugschneisen im Berliner Norden ziehen will, muss sich auf steigende Immobilienpreise einrichten. Weil ab 3. Juni Ruhe am Flughafen Tegel herrscht, hat so mancher die Gegend als potenziellen Wohnort entdeckt. Nach Expertenmeinung ist es eine solvente Kundschaft, die sich speziell für Einfamilienhäuser interessiert. Für die Umgebung des Flughafens BER in Schönefeld erwarteten die Fachleute dagegen, dass die Immobilienpreise zum Teil stark fallen werden – vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser.
Am Havelufer im Spandauer Ortsteil Haselhorst errichten Bauarbeiter an der Ruppiner-See-Straße gerade eine neue Zeile von bunten Reihenhäusern. „Zu spät – verkauft“ steht auf einem Schild in einem Fenster. Noch dröhnen hier die landenden Maschinen im Tiefflug über das „Gartenviertel am Spandauer See“. Die Bremer Interhomes AG verzeichnet seit eineinhalb Jahren eine sehr gute Nachfrage, heißt es dort. 280 Häuser sind bereits verkauft, weitere 54 gingen gerade in den Vertrieb. So mancher Käufer entscheidet sich für eine Dachterrasse – in der Einflugschneise bislang eher etwas für Hartgesottene. Die Preise für das Eigenheim in Haselhorst sind bereits gestiegen. Bekam man vor einiger Zeit ein Haus noch für 140.000 bis 150.000 Euro, muss man jetzt schon 174.000 Euro bezahlen, heißt es bei Interhomes.
Der Trend sei bereits seit etwa zwei Jahren erkennbar, sagt Dirk Wohltorf. Er ist Immobilienmakler in Tegel und Landesvorsitzender des Immobilienverbandes Deutschland (IVD). In Frohnau verkauft er heute Häuser teilweise zu Euro-Beträgen, die vor zehn Jahren noch in Mark verlangt wurden. Generell sind die Preise in Spitzenlagen um 20 bis 30 Prozent gestiegen, in Ortsteilen wie Lübars oder Heiligensee immerhin um 10 bis 15 Prozent.
Allein am Flughafen liege es aber nicht, sagt Wohltorf. Auch die Inflationsangst habe dazu geführt, dass immer mehr Menschen ihr Geld in Immobilien anlegen. Und direkt in der bisherigen Einflugschneise gibt es in Reinickendorf ohnehin nur wenige Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen. Erkennbar sei dagegen, dass sich wegen der künftig verstärkt über den Süden der Stadt verlaufenden Flugrouten gerade wohlhabende Klienten, die es bisher eher nach Zehlendorf oder Grunewald zog, für Reinickendorf entscheiden. Denn der Berliner Norden sei zukünftig garantiert fluglärmfreie Zone.
Im bisher exklusiven Südwesten, aber auch in Speckgürtel-Lagen wie Kleinmachnow, Teltow oder Stahnsdorf tue sich dagegen wenig, sagt Wohltorf. Die Nachfrage sei verhalten, aber auch die Verkäufer hielten sich zurück. Zwar könne man noch nicht von einem Absturz reden, doch seien die Preise hier schon um die 15 Prozent gesunken.
Der Stadtökonom Gabriel Ahlfeldt erwartet „in ungünstigen Fällen“, dass es noch in vier Kilometer Entfernung seitlich zu den Start- und Landebahnen Wertverluste von über 20 Prozent geben werde. Ahlfeldt, der in Berlin und London arbeitet, hat in einer Studie zu den Folgen der Schließung des Flughafens Tempelhof ermittelt, dass sich pro Dezibel Fluglärm der Wert von Wohnimmobilien um rund vier Prozent reduziere, was vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser gelte. Dass es dagegen bei Mehrfamilienhäusern keine großen Preissprünge gebe, führt Ahlfeldt „auf andere Geräuschquellen aus der Nachbarschaft“ zurück, die lauter sein könnten als der Lärm am Himmel. Egal, ob die Preise an einem neuen Flughafen fallen oder bei einem geschlossenen steigen, gebe es zwei Stufen. Zunächst werde jeweils auf die Ankündigung reagiert und dann später nochmals auf den erfolgten Vollzug.
„Nach unserer Markteinschätzung wird es mit Schließung des Flughafens Tegel grundsätzlich zu weiteren Preiserhöhungen in den entlasteten Bereichen kommen“, heißt es auch bei der Bausparkasse LBS-Nord. Gibt es schon jetzt eine steigende Tendenz bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen, erwartet man wesentliche Marktpreisveränderungen hier erst, wenn mit dem Ende des Flugbetriebs die Veränderung wirklich spürbar wird. Kaufentscheidungen zur Eigennutzung und Kapitalanlage sollten daher auch in Anbetracht der derzeit noch günstigen Zinssituation vorgezogen werden, raten die Experten.
Völlig anders sieht es bei den Mietwohnungen aus. Hier sei bisher keine verstärkte Nachfrage zu erkennen, sagt Christoph Wilhelm, Sprecher der 2004 privatisierten GSW, der ein Teil der direkt in der westlichen Einflugschneise liegenden Großsiedlung Falkenhagener Feld gehört und bestätigt damit Ahlfeldts These. Die GSW erwarte „keinen großen Einfluss" durch die Einstellung des Flugbetriebs. Mietsteigerungen sollen hier auch künftig nur im üblichen Berliner Rahmen erfolgen. Die Wohnungen hätten nicht das Potential, um hier angesichts der künftigen Ruhe „Luxusmieten" verlangen zu können.
Auch bei der Gewobag mit großen Beständen in den flughafennahen Standorten Reinickendorf-West und Haselhorst erwartet man bei hohem Vermietungsstand und geringer Fluktuation keine wesentlichen Veränderungen. Und als städtisches Unternehmen sei man auch in den Preissteigerungen bei Neuvermietungen limitiert, sagte eine Sprecherin.
Quelle: Tagesspiegel, 03.04.2012
Im Norden Berlins steigen bereits vor der Schließung des Flughafens Tegel die Immobilenpreise. Rings um Schönefeld hingegen haben die Häuser mittlerweile an Wert verloren. Immobilien-Makler erwarten weitere Verluste.
Früher belächelt, heute eine ernsthafte Alternative: Wer in die jetzigen Einflugschneisen im Berliner Norden ziehen will, muss sich auf steigende Immobilienpreise einrichten. Weil ab 3. Juni Ruhe am Flughafen Tegel herrscht, hat so mancher die Gegend als potenziellen Wohnort entdeckt. Nach Expertenmeinung ist es eine solvente Kundschaft, die sich speziell für Einfamilienhäuser interessiert. Für die Umgebung des Flughafens BER in Schönefeld erwarteten die Fachleute dagegen, dass die Immobilienpreise zum Teil stark fallen werden – vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser.
Am Havelufer im Spandauer Ortsteil Haselhorst errichten Bauarbeiter an der Ruppiner-See-Straße gerade eine neue Zeile von bunten Reihenhäusern. „Zu spät – verkauft“ steht auf einem Schild in einem Fenster. Noch dröhnen hier die landenden Maschinen im Tiefflug über das „Gartenviertel am Spandauer See“. Die Bremer Interhomes AG verzeichnet seit eineinhalb Jahren eine sehr gute Nachfrage, heißt es dort. 280 Häuser sind bereits verkauft, weitere 54 gingen gerade in den Vertrieb. So mancher Käufer entscheidet sich für eine Dachterrasse – in der Einflugschneise bislang eher etwas für Hartgesottene. Die Preise für das Eigenheim in Haselhorst sind bereits gestiegen. Bekam man vor einiger Zeit ein Haus noch für 140.000 bis 150.000 Euro, muss man jetzt schon 174.000 Euro bezahlen, heißt es bei Interhomes.
Der Trend sei bereits seit etwa zwei Jahren erkennbar, sagt Dirk Wohltorf. Er ist Immobilienmakler in Tegel und Landesvorsitzender des Immobilienverbandes Deutschland (IVD). In Frohnau verkauft er heute Häuser teilweise zu Euro-Beträgen, die vor zehn Jahren noch in Mark verlangt wurden. Generell sind die Preise in Spitzenlagen um 20 bis 30 Prozent gestiegen, in Ortsteilen wie Lübars oder Heiligensee immerhin um 10 bis 15 Prozent.
Allein am Flughafen liege es aber nicht, sagt Wohltorf. Auch die Inflationsangst habe dazu geführt, dass immer mehr Menschen ihr Geld in Immobilien anlegen. Und direkt in der bisherigen Einflugschneise gibt es in Reinickendorf ohnehin nur wenige Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen. Erkennbar sei dagegen, dass sich wegen der künftig verstärkt über den Süden der Stadt verlaufenden Flugrouten gerade wohlhabende Klienten, die es bisher eher nach Zehlendorf oder Grunewald zog, für Reinickendorf entscheiden. Denn der Berliner Norden sei zukünftig garantiert fluglärmfreie Zone.
Im bisher exklusiven Südwesten, aber auch in Speckgürtel-Lagen wie Kleinmachnow, Teltow oder Stahnsdorf tue sich dagegen wenig, sagt Wohltorf. Die Nachfrage sei verhalten, aber auch die Verkäufer hielten sich zurück. Zwar könne man noch nicht von einem Absturz reden, doch seien die Preise hier schon um die 15 Prozent gesunken.
Der Stadtökonom Gabriel Ahlfeldt erwartet „in ungünstigen Fällen“, dass es noch in vier Kilometer Entfernung seitlich zu den Start- und Landebahnen Wertverluste von über 20 Prozent geben werde. Ahlfeldt, der in Berlin und London arbeitet, hat in einer Studie zu den Folgen der Schließung des Flughafens Tempelhof ermittelt, dass sich pro Dezibel Fluglärm der Wert von Wohnimmobilien um rund vier Prozent reduziere, was vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser gelte. Dass es dagegen bei Mehrfamilienhäusern keine großen Preissprünge gebe, führt Ahlfeldt „auf andere Geräuschquellen aus der Nachbarschaft“ zurück, die lauter sein könnten als der Lärm am Himmel. Egal, ob die Preise an einem neuen Flughafen fallen oder bei einem geschlossenen steigen, gebe es zwei Stufen. Zunächst werde jeweils auf die Ankündigung reagiert und dann später nochmals auf den erfolgten Vollzug.
„Nach unserer Markteinschätzung wird es mit Schließung des Flughafens Tegel grundsätzlich zu weiteren Preiserhöhungen in den entlasteten Bereichen kommen“, heißt es auch bei der Bausparkasse LBS-Nord. Gibt es schon jetzt eine steigende Tendenz bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen, erwartet man wesentliche Marktpreisveränderungen hier erst, wenn mit dem Ende des Flugbetriebs die Veränderung wirklich spürbar wird. Kaufentscheidungen zur Eigennutzung und Kapitalanlage sollten daher auch in Anbetracht der derzeit noch günstigen Zinssituation vorgezogen werden, raten die Experten.
Völlig anders sieht es bei den Mietwohnungen aus. Hier sei bisher keine verstärkte Nachfrage zu erkennen, sagt Christoph Wilhelm, Sprecher der 2004 privatisierten GSW, der ein Teil der direkt in der westlichen Einflugschneise liegenden Großsiedlung Falkenhagener Feld gehört und bestätigt damit Ahlfeldts These. Die GSW erwarte „keinen großen Einfluss" durch die Einstellung des Flugbetriebs. Mietsteigerungen sollen hier auch künftig nur im üblichen Berliner Rahmen erfolgen. Die Wohnungen hätten nicht das Potential, um hier angesichts der künftigen Ruhe „Luxusmieten" verlangen zu können.
Auch bei der Gewobag mit großen Beständen in den flughafennahen Standorten Reinickendorf-West und Haselhorst erwartet man bei hohem Vermietungsstand und geringer Fluktuation keine wesentlichen Veränderungen. Und als städtisches Unternehmen sei man auch in den Preissteigerungen bei Neuvermietungen limitiert, sagte eine Sprecherin.
Quelle: Tagesspiegel, 03.04.2012