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Legitime Mieten

Der Senat will den Mietenanstieg bremsen. Doch nun formiert sich Widerstand. Der Immobilienverband Deutschland warnt davor, Vermieter rechtlich zu verfolgen. Durch eine Mietpreisbremse würden Investitionen in Wohnhäuser unattraktiv.

Die Kampfansage kommt aus einer Seitenstraße des Kurfürstendamms. Es könne doch keine Rede davon sein, dass es in ganz Berlin eine Wohnungsknappheit gebe, wie der Senat per Verordnung festgelegt hat, teilte der in der Knesebeckstraße residierende Immobilienverband Deutschland (IVD) am Mittwoch mit. In manchen Szenelagen möge es schwer sein, Wohnungen zu finden, aber etwas weiter weg seien noch immer welche zu bekommen.

„Ungeheuerlich“ sei es, so IVD-Chef Dirk Wohltorf, dass Vermietern, die lediglich marktübliche Mieten verlangen, nun aufgrund dieser Verordnung rechtliche Verfolgung nach dem Wirtschaftsstrafgesetz drohe. Die Eigentümer würden damit „ganz schnell zu Kriminellen“ gemacht, warnte er. Die Immobilienbranche will dies offenbar nicht hinnehmen. Es gebe Rechtsanwälte, die sich bereits „für Verfahren wappnen“, berichtete Wohltorf.

Hintergrund: Der Senat hat im Mai eine Verordnung in Kraft gesetzt, nach der ganz Berlin als Gebiet bestimmt wird, in dem „die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist“. Damit gilt der Wohnungsmarkt als angespannt. Das Problem für die Vermieter ist, dass sie auf einem angespannten Wohnungsmarkt nach Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes nur noch Mieten verlangen dürfen, die maximal 20 Prozent über der ortsüblichen Miete liegen.

Sonst droht ihnen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren und ein Bußgeld bis zu einer Höhe von 50 000 Euro. Bei besonders hohen Preisüberschreitungen drohen sogar Verfahren wegen Mietwuchers. Tatsächlich verlangen Vermieter beim Abschluss neuer Mietverträge schon mal Preise, die 30 oder 40 Prozent über dem offiziellen Mietspiegel liegen, der Auskunft über die ortsübliche Miete in Berlin gibt. Gut abzulesen ist das anhand des „Marktmietspiegels“, den der IVD am Mittwoch präsentierte.

Der IVD-Marktmietspiegel gibt Auskunft über die tatsächlich abgeschlossenen Neuvertragsmieten in Berlin mit Stichtag 1. Mai 2013. Danach beliefen sich die Mieten für Wohnungen in Standardlagen auf 6,90 Euro und in sogenannten Vorzugslagen auf 8,40 Euro je Quadratmeter. Zum Vergleich: Der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herausgegebene Mietspiegel 2013 (Stichtag 1. September 2012) weist eine durchschnittliche Miete von 5,54 Euro pro Quadratmeter für Berlin aus. In den Mietspiegel sind nicht nur aktuelle Mietabschlüsse eingeflossen, wie beim IVD – er basiert auf den Mieten, die sich in den vergangenen vier Jahren verändert haben.

So verlangt es das Bürgerliche Gesetzbuch für die Ermittlung der ortsüblichen Miete. Mieter- und Vermieterverbände haben dem Mietspiegel zugestimmt. Nach Meinung des IVD ist die Aussagekraft seines Marktmietspiegels für Wohnungssuchende höher. Ein Beispiel zeigt, wie der offizielle Mietspiegel und der IVD-Marktmietspiegel auseinanderliegen: Eine gut ausgestattete 100 Quadratmeter große Altbauwohnung, Baujahr 1910, in mittlerer Wohnlage in Friedrichshain kostet laut IVD-Marktmietspiegel 10,18 Euro je Quadratmeter, laut Senats-Mietspiegel beträgt die ortsübliche Miete 7 Euro je Quadratmeter.

Der IVD verteidigt die verlangten Mieten, die in seinem Marktmietspiegel ausgewiesen werden. „Wir halten es für legitim, diese Mieten aufzurufen“, sagte Katja Giller, Vorsitzende des IVD-Wertermittlungsausschusses. „Mietwucher kann nicht bestehen, wenn ich eine marktübliche Miete verlange.“ Zudem fehle die Grundlage für Verfahren nach dem Wirtschaftsstrafgesetz, weil es keine Wohnungsknappheit in ganz Berlin gebe.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung widerspricht. In der Verordnung vom Mai sei eine Anspannung des Wohnungsmarktes nachgewiesen worden, so Behördensprecherin Daniela Augenstein. Natürlich könne es immer eine Ecke geben, wo es unproblematisch sei, sagt sie. Doch insgesamt sei ein angespannter Markt zu konstatieren. „Es ist das Recht eines jeden dagegen zu klagen“, so Augenstein.
28.08.2013

Quelle:
Berliner Zeitung (28.08.2013)