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Will die Stadt uns überhaupt?

Bauträger und Projektentwickler üben scharfe Kritik an der Berliner Wohnungspolitik



von Christian Hunziker

Es hat sich etwas angestaut in Christoph Gröner. Und das muss raus an diesem Mittwoch, im Konferenzraum eines Hotels am Berliner Gendarmenmarkt. „Wir müssen uns jeden Tag die Frage stellen: Will die Stadt uns überhaupt?“, ruft Gröner in die Journalistenrunde. Und der Chef der CG Gruppe, die in Berlin und anderen deutschen Städten jährlich mehrere hundert Wohnungen baut, fordert: „Wir müssen für Umstände sorgen, in denen Rechtsstaatlichkeit Vorrang vor politischen Strömungen hat.“

Ins Visier nimmt Gröner nicht nur die Berliner Politik – sowohl die des Landes, als auch die der Bezirke –, sondern auch die öffentliche Meinung, die in Immobilienunternehmen grundsätzlich Ausbeuter und Spekulanten sieht.

Dabei „will niemand den sozialen Frieden in Gefahr bringen“, sagt Gröner. Eine Rendite von drei bis vier Prozent, die Pensionskassen und andere institutionelle Investoren mit Berliner Wohnimmobilien anstrebten, sei nun wirklich nicht überhöht.

Aber den Bauträgern und Projektentwicklern würden jede Menge Knüppel zwischen die Beine geworfen. „Gehen Sie mal in den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und versuchen, einen Termin beim Bauamt zu bekommen“, echauffiert sich Gröner. Es fehle an Personal. „Die Bezirke haben sich kaputtgespart“, sagt der Unternehmer.
Baustadtrat Panhoff sei "permanent überstresst"

Ähnlich ergeht es Gröner in Friedrichshain-Kreuzberg: Hier bereitet sein Unternehmen seit langem ein Projekt vor, ohne bisher die Baugenehmigung erhalten zu haben. „Vielleicht können wir jetzt im dritten Jahr mit dem Bau beginnen. Warum schafft es die Politik nicht, in drei bis sechs Monaten einen Bauantrag zu genehmigen?“ In Dresden, wo die CG Gruppe ebenfalls tätig ist, gelinge dies sehr wohl – und dort fragten die Behörden zudem freundlich, ob sich der Projektentwickler nicht vielleicht des einen oder anderen Grundstücks annehmen möchte. In Berlin habe man dagegen den Eindruck, die Stadt wolle jede Entwicklung verhindern und für ewig „an der Armutsgrenze bleiben“.

Gröner ist nicht der einzige Immobilienunternehmer in der Runde, der das Treffen mit den Journalisten nutzt, um Dampf abzulassen. Steffen Hanschmann, Geschäftsführer des Bauträgers Baywobau und seit einem Vierteljahrhundert im Immobiliengeschäft tätig, gibt sich zunächst moderat: Seine Erfahrung habe ihm gezeigt, „dass man immer Lösungen finden kann, wenn Schwierigkeiten auftreten“.

Doch als die Rede auf Friedrichshain-Kreuzberg kommt – wo die Baywobau das Viktoria-Quartier realisiert –, ist es mit der moderaten Ausdrucksweise vorbei: Der frühere Bezirksbürgermeister Franz Schulz sei zwar ein Pragmatiker gewesen, mit dem man immer eine Lösung gefunden habe. „Aber die jetzige Bürgermeisterin...“, fängt Hanschmann einen Satz an, ohne ihn zu beenden. Und Baustadtrat Hans Panhoff, der ja „eigentlich aus dem Baumschutzbereich“ komme, sei „permanent überstresst“.
Die Mietpreisbremse sorgt für Unmut

Auch die Senatspolitik kommt nicht ungeschoren davon. Dirk Wohltorf, Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des Immobilienverbandes Deutschland (IVD), attackiert die vom Senat beschlossene Umwandlungsverordnung, die in Milieuschutzgebieten die Aufteilung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig macht.

„Damit wird Mietern in Milieuschutzgebieten die Möglichkeit genommen, als Eigentümer ihrer angestammten Wohnung in den Ruhestand zu gehen“, sagt er. Dabei sei doch der Kauf einer Wohnung der beste Schutz vor steigenden Mieten. Auch gebe es keinen Nachweis, dass Privatanleger die Miete stärker erhöhten als andere Vermieter. „Wieder maßen sich Politik und Behörden an, besser zu wissen, was für Mieter gut ist, als die Mieter selber“, sagt Wohltorf.

Für Unmut sorgt auch die Mietpreisbremse, die der Berliner Senat flächendeckend anziehen will: Auch hier bleibe der Senat den Nachweis schuldig, dass in der ganzen Stadt Wohnungsknappheit herrsche. „Die gibt es nur in bestimmten Kiezen", sagt Wohltorf. Es könne nicht jeder Berliner in einer sanierten Gründerzeitwohnung innerhalb des S-Bahn-Rings wohnen. Dabei verfolge die Politik „eine immerwährende Blockadehaltung gegenüber sämtlichen Bemühungen der Immobilienwirtschaft, neuen Wohnraum zu schaffen. Wenn weiter reguliert wird, werden die Investoren weiterziehen.“

Der Aufwärtstrend ist vorbei


Tun sie das? Nein, die Baywobau werde in Berlin aktiv bleiben, versichert Steffen Hanschmann. Und auch Christoph Gröner will seine Äußerungen nicht so verstanden wissen, dass sein Unternehmen einen Rückzug aus Berlin erwägt. Er fühlt sich unfair behandelt. Da plane er auf dem Areal des Postbank-Turms in Kreuzberg im Interesse einer ausgewogenen sozialen Mischung Wohnungen in drei Preisstufen (6,50 Euro, zehn Euro und 14 Euro pro Quadratmeter) - doch schon jetzt wisse er, dass ihm letztlich die 14 Euro als Preistreiberei vorgeworfen würden.

Dabei verliere sein Unternehmen allein durch den Verkauf des für die günstigsten Wohnungen vorgesehenen Grundstücks an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo drei Millionen Euro. Und das, wo ihm doch Investoren für den Postbank-Turm mittlerweile das Doppelte dessen böten, was die CG Gruppe vor eineinhalb Jahren dafür bezahlt habe.

Fraglich bleibt, ob diese „Möchtegern-Investoren“, an die Gröner nicht verkaufen wird, mit dem gebotenen Preis glücklich würden. Denn der starke Aufwärtstrend der Berliner Wohnungsmieten und -preise ist gestoppt. Darin ist sich die Runde einig. „In Innenstadtlagen scheint das Ende der Fahnenstange erreicht“, sagt Hanschmann. „Die Käufer sind nicht bereit, jeden Preis zu bezahlen.“ Auch die Mieten, ergänzt Gröner, würden fortan nur noch entsprechend der Einkommensentwicklung steigen. Die sei eben begrenzt: „Mieten wie in München und Hamburg werden auch langfristig nicht erreicht.“

Quelle:
Tagesspiegel (16.02.2015)