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Gefragt und immer teurer

Die steigenden Mieten und Kaufpreise machen den Menschen sehr zu schaffen. Das liegt auch am starken Interesse der ausländischen Anleger - jetzt ist sogar Warren Buffett da.

Warren Buffett hat ein Faible dafür, seine Gedanken und Erkenntnisse in prägnanten Sprüchen zusammenzufassen. "Seien Sie ängstlich, wenn die Welt gierig ist, und seien sie gierig, wenn die Welt ängstlich ist", sagt der Investor. Und er scheint fast immer recht zu behalten, schließlich ist der inzwischen 87-jährige Amerikaner nicht nur eine Investmentlegende, er gehört auch seit langer Zeit zu den reichsten Männern der Welt. Diesmal aber scheint er gegen seine eigenen Gesetze zu verstoßen. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass der US-Multimilliardär sein Glück jetzt auch in der deutschen Hauptstadt versuchen will. Die zu Warren Buffets Imperium gehörende Berkshire Hathaway Homeservices soll mit der Rubina Real Estate GmbH, einem Berliner Immobilienvermittler, eine Allianz eingegangen sein, heißt es. Deren Chef Carsten Heinrich jedenfalls gab seinen Stolz darauf umgehend bekannt. "Wir freuen uns darauf, die Marke Berkshire Hathaway Homeservice auf dem Berliner Markt zu etablieren", sagte Heinrich. Und er hat auch allen Grund dazu. Das Buffett-Unternehmen gilt seit seiner Gründung im September 2013 mit jetzt mehr als 45 000 Maklern und über 1400 Büros als das am schnellsten wachsende Immobiliendienstleistungsnetzwerk in den USA. Und das hat nun - Gier hin oder her - den Berliner Markt für sich entdeckt. Der aber gilt in der Branche mittlerweile als einer der heißesten in Europa.

Für reiche Chinesen bieten deutsche Städte wahre Schnäppchen
Keine Frage, Buffett ist für lohnende Deals weltweit bekannt. Und Berlin bietet sie. Kaum sonst wo in Deutschland sind die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren so stark gestiegen. Denn in Berlin tobt ein Kampf. In- und ausländische Investoren rangeln um das Attraktivste, was die deutsche Hauptstadt gegenwärtig zu bieten hat: Grundstücke, Wohnungen und andere Immobilien. Allein die Kaufpreise für ein Dach über dem Kopf haben sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Wer seine Wohnung 2008 für etwa 1900 Euro pro Quadratmeter angeboten hat, würde für dieselbe Immobilie 2018 mindestens das 2,25-Fache erzielen können. Über alle Lagen und Wohnungstypen hinweg beträgt der durchschnittliche Angebotspreis für einen Quadratmeter Wohnfläche inzwischen 4100 Euro. Berlin sei "die Stadt mit den am schnellsten wachsenden Immobilienpreisen der Welt", staunte der britische Guardian dieser Tage.

Trotzdem taucht Berlin nicht unter den Top Ten der teuersten Städte der Welt auf. Die Preise sind zwar stark gestiegen, aber auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Nach Berechnungen der Londoner Immobilienberatungsgesellschaft Knight Frank LLP kann man in Berlin für eine Million US-Dollar noch ein hochwertiges 77 Quadratmeter großes Innenstadt-Apartment erwerben. In Hongkong oder New York, so der Knight-Bericht, reiche das gerade mal noch für ein 22 beziehungsweise 25 Quadratmeter großes Mikroapartment. Und das sei nur gut so, zeige das doch, wie viel Luft Berlin noch nach oben habe.

Der Berliner Wohnungsmarkt ist ein Markt der Extreme und der unterschiedlichen Interessen. Was Makler ob dieser Preisaussichten freut, produziert bei Mietern wie Wohnungssuchenden eher Angstschweiß. Sie sorgen sich um die Aufwertung der Kieze und hoffen auf ein Ende des Preiswachstums. Aber wie realistisch ist das überhaupt, wo immer mehr internationale Investoren Berlin für sich entdecken und gleichzeitig die Bevölkerung allein in den vergangenen zwei Jahren um mehr als 100 000 Bewohner gewachsen ist? Und bei beiden Größen in den nächsten Jahren ein weiterer Anstieg vorausgesagt wird.

Es sind nicht nur die Renditeerwartungen, die den Wohnungsmarkt der Hauptstadt zusätzlich befeuern. Es sind auch Rechtssicherheit, politische Stabilität und wirtschaftliche Dynamik, die Berlin zu einem "sicheren Hafen" für Investoren machen, die längst nicht nur aus Westeuropa, den USA oder Russland, sondern mehr und mehr auch aus China kommen. Reich gewordene Chinesen, gerade auch aus der immer größer werdenden Mittelschicht, suchten nach neuen Anlagezielen, sagt Sven Carstensen vom Immobilienspezialisten Bulwiengesa. Daheim in Peking oder Shanghai würden in der Spitze zwischen 15 000 und 18 000 Euro pro Quadratmeter fällig. Da böten deutsche Städte wie eben Berlin noch wahre "Schnäppchen". Niedrige Zinsen verstärken diesen Trend noch. Bei bundesweiten Immobiliengeschäften mit einem Volumen von mehr als zehn Millionen Euro stammte laut Studie des Verbands deutscher Pfandbriefbanken im vergangenen Jahr mehr als jeder zweite Euro von ausländischen Kapitalgebern. Damit flossen mehr als 59 Milliarden Euro in Gebäude in ganz Deutschland, fast dreimal so viel wie 2010.

Preisexplosion in den Metropolen



Deutschlands Metropolen kennen bei den Haus- und Wohnungspreisen nur den Weg nach oben. Seit 2009 sind die Mieten und Preise in den sogenannten A-Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart laut Deutschland-Monitor der Deutschen Bank Research kräftig gestiegen. In einigen der Städte haben sich die Wohnungspreise bis 2017 sogar mehr als verdoppelt. Insgesamt erhöhten sich die Preise in den Metropolen (A-Städte) um 80 Prozent. Die hohe Nachfrage und die Angebotsknappheit werden vielerorts von einem hohen Einwohner- und Beschäftigungswachstum sowie fallenden Arbeitslosenraten angetrieben. München etwa habe inzwischen eine Leerstandquote von faktisch null. In Berlin sei das Beschäftigungswachstum im vergangenen Jahr auf vier Prozent gestiegen, in Frankfurt fehlten mindestens 40 000 Wohnungen. Allein 2017 seien darum die Wohnungspreise gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent gestiegen. In Stuttgart wiederum verhindere die Kessellage den so dringenden Neubau. Darum hätten sich auch dort die Wohnungspreise seit 2009 verdoppelt. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in ganz Deutschland dürfte nach vorläufigen Zahlen 2017 erstmals über 300 000 Einheiten gelegen haben, heißt es. Für 2018 werde mit 335 000 neuen Wohnungen gerechnet. Der jährlich Bedarf aber liege immer noch bei 350 000 Einheiten. Der Preisdruck bleibe damit zumindest in den Metropolen bestehen. Die Überbewertungen und das Risiko einer ausgewachsenen Preisblase im deutschen Häusermarkt steigen, warnen die Deutsch-Banker.

"Es werden noch immer vor allem kaufkraftstarke Mandanten bedient."



Die Wachstumsdynamik bei Zuzug, Wirtschaft und Immobilienpreisen beschert der Politik und vor allem den Berlinern selbst immer größere Probleme. Für Stadtsoziologen wie den ehemaligen Staatssekretär Andrej Holm von den mitregierenden Linken steckt Berlin in der größten Stadtentwicklungskrise seit dem Fall der Mauer. Noch nie waren in den vergangenen 25 Jahren die Wohnungen so knapp und die Mieten so hoch. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Lage verschärft sich noch, weil zu wenig gebaut oder noch immer am Bedarf vorbei gebaut wird. Christoph Gröner, Chef der CG-Gruppe, die mehrere Hundert Wohnungen pro Jahr errichtet, hat für seine Branche ein ausgesprochenes Missverhältnis ausgemacht. "Es werden noch immer vor allem kaufkraftstarke Mandanten bedient", sagt er. Nur könnten sich weder Krankenschwester noch Polizeibeamte Mietpreise oberhalb von zwölf Euro pro Quadratmeter leisten. Der Anstieg ist drastisch - auch im Bestand. "Wer zu völlig überhöhten Preisen in der Innenstadt oder außerhalb des Innenstadtrings ein Mietshaus gekauft hat, der erwartet dennoch Gewinn", sagt Holm. Solche Preise seien aber mit Mieterhöhungen in bestehenden Verträgen nicht zu finanzieren. Käufer setzten darum auf Verdrängung der alten Mieter, um bei Neuvermietung die Mieten deutlich erhöhen zu können. Oder die Wohnung wird gleich wieder veräußert. Mieter oder Zuzügler, die eine Wohnung beziehen wollen, müssen laut einer Studie von Berlin Hyp und der Maklerfirma CBRE mit mindestens zehn Euro pro Quadratmeter (kalt) rechnen. Oder noch mehr, schließlich wird nach deren Analyse die mittlere Angebotsmiete in diesem Jahr die Zehn-Euro-Schwelle überschreiten.

Damit liegt Berlin zwar weiterhin hinter München, Frankfurt, Stuttgart, Hamburg und Köln - gemessen an der Kaufkraft aber ist die Belastung für Mieter mit neuen Verträgen jedoch nur in München und Frankfurt höher. Über ganz Berlin betrachtet beträgt die "Wohnkostenquote" 29 Prozent, also deutlich mehr als ein Viertel des Einkommens der Berliner. Dabei verdient schon jetzt jeder Zweite von ihnen so wenig, dass er Anspruch auf eine geförderte Sozialwohnung hätte, von denen es in Berlin aber immer weniger gibt. Derzeit sind es gerade noch etwa 100 000.

Derweil wird in Berlin gestritten. Beteiligt daran sind die Mieter- und Immobilienverbände, Branchenkenner und -kritiker, nicht zuletzt die Politik. Je nach Interesse und Angehörigkeit fallen die Lösungsvorschläge für die Wohnungskrise unterschiedlich aus. Die einen fordern schärfere Gesetze, mehr Milieuschutz und Vorkaufsrechte sowie eine tatsächlich wirkende Mietpreisbremse. Die Branchenvertreter wiederum lehnen schärfere Gesetze und staatliche Eingriffe ab. Angebot und Nachfrage regelten noch immer den Preis, sagt Dirk Wohltorf, Vorstandschef des Immobilienverbandes IVD Berlin-Brandenburg. Darum müsse gebaut, gebaut und nochmals gebaut werden. Erst dann entspanne sich der Markt, ist Wohltorf überzeugt.

Quelle: Süddeutsche Zeitung (12.04.2018)